Montag, 8. Juli 2013

Die mächtige Platane am Daniel-Pöppelmann-Haus






Ort: Steintorwall, Daniel-Pöppelmann-Haus
Baumart: Platane
Zeit: Oktober 2012; Juli 2013
Fotos: Meiko Haselhorst (NW; im Bild: Uwe Höcker); Peter Franzeck (BUND)



Schlange unter den Bäumen

IN HERFORD VERWURZELT (20): Warum die Platane in Herford so häufig ist

VON MEIKO HASELHORST

Herford. Stachelige Früchte, spektakulärer Wuchs, eine Rinde, die sich regelmäßig vom Stamm schält und farblich an ein Tarnzelt erinnert – die Platane ist in mehrerlei Hinsicht ungewöhnlich. In der Stadt steht sie an allen Ecken und Enden. Umso erstaunlicher, dass viele Menschen den Baum gar nicht kennen.
Eines der schönsten Herforder Exemplare steht am Daniel-Pöppelmann-Haus. Baumexperte Uwe Höcker tätschelt den dicken Stamm des unter Denkmalschutz stehenden Veteranen und kommt sich unter dem 30 Meter hohen Baum ausnahmsweise mal ganz zierlich vor.








Noch auffälliger als Größe und Wuchs ist die Rinde: Die Platane wirft sie im Gegensatz zu anderen Bäumen in großen Stücken ab, sobald es ihr zu eng wird – ähnlich wie eine Schlange, die sich häutet. Darunter befindet sich eine neue, hellgrüne Schicht, die die alte Rinde wegdrückt. Das großflächige braun-gelb-grüne Muster, das bei dem Vorgang entsteht, findet Höcker „sehr attraktiv“.

Ein weiteres unverkennbares Merkmal sind die Früchte: stachelige Kugeln, kleiner als die der Kastanie und an langen Stielen hängend. „Meine Frau benutzt sie gerne als Weihnachtsdeko“, sagt Höcker. Beim Blatt kann sich der Laie leicht vertun – es sieht dem des Ahorns sehr ähnlich. Unter Nicht-Laien ist der Baum dafür bekannt, sehr anpassungsfähig zu sein – eine weitere Parallele zu besagtem Reptil. In den 50er, 60er und 70er Jahren glaubten Grünplaner in ganz Deutschland, die „eierlegende Wollmilchsau“ gefunden zu haben: Frost und Rauch machen der Platane ebenso wenig aus wie trockene Böden. „Sie kommt auch mit fast versiegelten Flächen wie Parkplätzen und Straßenrändern klar“, sagt Höcker. Selbst Streusalz und Hunde-Urin verträgt sie bis zu einer gewissen Grenze. Die Folge: Ganze Innenstädte wurden mit  Platanen begrünt. Auch Höcker, seinerzeit Mitarbeiter des Garten- und Friedhofamtes, pflanzte euphorisch drauf los: „Wo nichts mehr ging, wurden Platanen gepflanzt.“ Beispiele sind die Mindener und die Berliner Straße. „Die haben sich dort gut entwickelt“, sagt Höcker. „Man konnte der Platane fast alles antun, am Ende wurde doch ein Baum daraus.“

Oder zumindest etwas Ähnliches: Da die Platane nichts dagegen hat, stark beschnippelt zu werden und Formschnitte immer wieder gut ausgleicht, ließen sich am Rathaus und an anderen Stellen der Stadt die Künstler unter den Gärtnern an der Platane aus. Ergebnis sind bizarr anmutende Geschöpfe mit knubbeligen Stämmen und bescheidenen Kronen.„Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“, macht Höcker deutlich, dass selbst die Leidensfähigkeit der Platane ihre Grenzen erreicht: Ihre zurzeit übermächtigen Gegner heißen  Platanenkrebs und Massaria-Krankheit (s. Infokasten).

Sehr robust – aber nicht alles ist der Platane Banane


Aus Frankreich, Griechenland und Spanien wanderte – wohl mit dem Klimawandel – der  Platanenkrebs ein, der erst Blätter, dann Äste und letztlich den ganzen Baum zum Sterben bringt. „Äste sterben nach Gewittern manchmal innerhalb von Stunden ab“, hat Uwe Höcker beobachtet. Der Pilz, der den Krebs verursacht, kam vermutlich im extrem heißen Sommer 2003 nach Deutschland.

Ein Jahr später wurde hier erstmals auch die Massaria-Krankheit festgestellt. Auch hier verbirgt sich hinter der Krankheit ein Pilz. In Herford wurden 2010 die Platanen am Steintorwall befallen – mittlerweile gelten viele  Platanen im Stadtgebiet als krank. Radikale Beschneidungen halfen nur wenig, ein wirkliches Mittel gegen die Krankheit scheint es bislang nicht zu geben.

Im Forst spielt die Platane keine Rolle, das Holz ist kaum zu gebrauchen, der wirtschaftliche Schaden hielte sich in Grenzen. „Aber manche Innenstädte würden sich durch ein Aussterben der Platane katastrophal verändern“, sagt Höcker. Nach Ulme (Splintkäfer) und weiß blühender Roßkastanie (Miniermotte) wäre damit der dritte Stadtbaum ernsthaft gefährdet. (hazl)

© 2012 Neue Westfälische
09 - Herford, Donnerstag 15. November 2012

1 Kommentar:

  1. Schade um die kranken Platanen. Obwohl die Platane Abgase besonders gut wegstecken kann, findet sich stets ein Übeltäter, der den besonderen Bäumen schadet. Ich finde den Beitrag toll, da er die Faszination der schönen Bäume unterstreicht. Wenn ihr so wie ich Platanenliebhaber seid, könnte euch folgende Seite interessieren: http://www.lenas-tulpenbaum.de/garten-pflanzen/platane.html

    AntwortenLöschen